Smart Meter-Rollout mit Handbremse

Der noch junge Startschuss zum Rollout der intelligenten Messsysteme, welcher das Rückgrat der Digitalisierung der Energiewende darstellen sollte, wurde vom OVG Münster vorerst kassiert. Die Richter stellen in ihrer Begründung fest, dass das BSI seine Kompetenzen überschritten und klare gesetzliche Anforderungen an die Zertifizierung der Smart-Meter-Gateways unterschritten hat.

Die Einbaupflicht für die knapp 50 klagenden Messstellenbetreiber gilt bis zum endgültigen Urteil des noch anhängigen Hauptverfahrens daher nicht mehr. Ob nun auch alle anderen Messstellenbetreiber von dieser Pflicht befreit wurden, ist aktuell nicht klar. Diese Unsicherheit wird durch eine Auswahl von Stellungnahmen ausgewählter Marktteilnehmer verdeutlicht.

VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing

Die technische und zertifizierte Leistungsfähigkeit der verbauten Smart-Meter-Gateways, müssen vom Gesetzgeber unverzüglich angepasst werden. So VKU Hauptgeschäftsführer Ingberg Liebing. Denn ansonsten kann der ursprüngliche Anspruch, die technische Leistungsfähigkeit der Geräte im rechtssicheren Rollout zu gewährleisten, nicht eingehalten werden. vku.de: Smart-Meter-Rollout in Gefahr

BBH-Partner Dr. Jost Eder

Dr. Jost Eder, BBH-Partner und Verfahrensbegleiter sagt: „Die Entscheidung gibt einen klaren Rahmen für den Roll-Out intelligenter Messsysteme: Erst wenn diese auch ihren vollen Nutzen bringen, darf das BSI ihren Einbau verpflichtend anordnen.“ Ergänzend fügt BBH-Rechtsanwalt und Partner Counsel Dr. Florian Wagner hinzu: „Auch bei einer überwiegend technisch geprägten Umsetzung von Gesetzen ist der Handlungsspielraum von Behörden nicht uferlos.“

bbh-gruppe.de: OVG NRW bescheinigt BSI Fehlstart beim Smart-Meter-Rollout

Energiezukunft

Die Allgemeinverfügung der BSI ist voraussichtlich rechtswidrig, begründen die Richter. Einerseits erfolgte die Zertifizierung auf Basis der vom BSI selbst erlassenen technischen Richtlinie, ohne alle vorgeschriebenen Gremien einzubinden. Andererseits sind die Vorgaben materiell rechtswidrig: Die Anforderungen zum Datenaustausch bleiben hinter den normierten Mindestanforderungen zurück. Da diese nicht erfüllbar sind, müsse der Gesetzgeber tätig werden – der BSI habe dazu keinen Auftrag.

energiezukunft.eu: Smart Meter Rollout – Stopp per Gerichtsbeschluss

BSI

Die OVG-Entscheidung für das BSI kommt überraschend, nachdem das Verwaltungsgericht Köln (VG) noch in der Vorinstanz zugunsten des BSI entschieden hatte. Die Entscheidung des OVG Münster erging im vorläufigen Rechtsschutz, die Hauptsacheentscheidung durch das VG Köln steht noch aus. Die Entscheidungsgründe des OVG wird das BSI daher eingehend prüfen, um die Bedenken des OVG im Hauptsacheverfahren umfassend entkräften zu können.

bsi.bund.de: Smart Meter: Stellungnahme des BSI zum Eilbeschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster

Fazit

Wie sich diese Unsicherheiten bis zur endgültigen Entscheidung des Hauptverfahrens auf den bereits begonnenen Rollout auswirken können, lässt sich nur schwer einschätzen. Die bereits verbauten Smart-Meter müssen nicht wieder ausgebaut werden und die bereits vom BSI zertifizierten dürfen weiterhin verbaut werden. Die MSBs können daher zur aktuellen Stunde auf beide Szenarien des Hauptverfahrens wetten und entweder weiter einbauen oder erstmal abwarten. Sollte die Entscheidung auf Warten fallen, können sie im ungünstigsten Fall dem Rollout hinterherhinken oder im besten Fall unnötige Investitionen vermeiden.

Intelligente Messsysteme: Wie Stromvertriebe umdenken müssen
Webcast vom 14. April 2020

Die Verbreitung intelligenter Messsysteme wird den Stromvertrieb verändern. Einen besonders großen Einfluss hat dies auf die energiewirtschaftlichen Fachprozesse und IT-Systeme. Die Herausforderung: Wie können sich die Energieversorger auf diesen Wandel vorbereiten?
Webcast

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