„Wie trefft ihr in eurem Team Entscheidungen?“
Das ist eine Frage, mit der man als Coach auch bei alteingesessenen Teams Diskussionen auslösen kann. „Wir reden über ein Thema und entscheiden dann.“. Das ist meist korrekt. Aber ist es wirklich gut? Denn Meetings leiden oft daran, wenn neben der generellen Struktur und Zielsetzung auch noch ein guter Entscheidungsmechanismus fehlt. Das führt zu längeren Meetings und zu Folgeterminen. Und das ist ineffektiv.
Mit Problemstellungen wie dieser setzen wir uns innerhalb der INTENSE immer wieder auseinander. Um die Zusammenarbeit untereinander effektiv und für jede:n zufriedenstellend zu gestalten, bieten wir diverse Coachings und Schulungsangebote in regelmäßigen Abständen an. So handelt eines unserer Weiterbildungsangebote, indem die Entscheidungsfindung im Team erleichtert werden soll, von dem sogenannten „WG-Spiel“. Dieser spielerische Ansatz wird im Folgenden näher erklärt.
Entscheidungen im Alltag: Das sind gängige Methoden
In unserem privaten und beruflichen Alltag müssen wir jeden Tag bewusst oder unbewusst viele kleine oder große, wichtige oder unwichtige Entscheidungen treffen. Dabei nutzen wir Entscheidungsmethoden oft, ohne genauer darüber nachzudenken, welche Vor- und Nachteile diese haben. Bekannte Entscheidungsmethoden sind beispielsweise:
- Mehrheitsentscheid
- Eine Person entscheidet, z.B. das HIPPO (Highest Paid Person in the Office)
- Konsultativer Einzelentscheid
- Eine gewählte Person entscheidet
Dabei ist es wichtig zu beachten, dass es nicht nur um die reine Entscheidung geht – also das inhaltliche Ergebnis. Vielmehr geht es auch um:
- Die Akzeptanz der Entscheidung, d.h. inwieweit tragen alle Teammitglieder die Entscheidung voll mit und richten sich nach dieser
- Die Geschwindigkeit der Entscheidungsfindung, d.h. wie schnell kann ein Team eine Entscheidung überhaupt treffen, welcher Aufwand ist, nötig für die Entscheidungsfindung
- Die Qualität der Entscheidung, d.h. ist die Entscheidung eine „gute Entscheidung“? Ist sie mit einer passenden Expertise getroffen? Ist niedrige Entscheidungsqualität tolerabel? Kann mit mehr investierter Zeit eine bessere Entscheidung getroffen werden.
Wie überprüft man, ob eine Entscheidung richtig war?
Und wie lässt sich überhaupt prüfen, on eine Entscheidung die Richtige war? Um hier als Team besser zu werden, muss man bewusster über Entscheidungsmechanismen nachdenken und sie idealerweise auch an „unsensiblen“ Themen üben. Wie ist das möglich? Durch Spiele! Zum Beispiel mit dem WG-Spiel.
Das WG-Spiel: Aber warum eigentlich eine WG?
Eine WG ähnelt einem Projektteam: Man kommt zusammen, kennt sich anfangs vielleicht kaum, aber hat ein gemeinsames Ziel. Man muss irgendwie zusammen Entscheidungen treffen, um dieses Ziel zu erreichen und gut miteinander auszukommen. Viele Themen spielen dabei eine Rolle: Für Softwareteams sind es Anforderungen, Technologien, Prozesse, Qualitätskriterien… In der WG wer einkaufen geht, wie geputzt wird und wer in welchem Zimmer lebt. Rollen, Aufgaben und Strategien – Immer gilt es Dinge zu entscheiden.

Wieso es nicht einfach machen?
Ein Chef entscheidet. Der oder die WG-Älteste. Der Projektleiter. Oder es wird demokratisch abgestimmt per Mehrheitsentscheid. Aber haben diese Entscheidungen dann eine gute Akzeptanz? Unterstützt das ganze Team die Entscheidung oder eher nicht so ganz? Bei einer 2/3 Mehrheit fanden wahrscheinlich 1/3 der Beteiligten die Entscheidung schlecht.
Gibt es also Alternativen für die Entscheidungsfindung?
Eine Möglichkeit ist der KonsenT – das Verfahren, das unsere WG-Bewohner:innen spielerisch lernen. Dabei handelt es sich um ein Entscheidungsverfahren, bei dem das Ergebnis von allen Mitgliedern mitgetragen wird, da schwerwiegende begründete Einwände Berücksichtigung finden und jede:r an der Entscheidung beteiligt ist.
Entscheidung nach KonsenT: Wie laufen solche WG-Simulationen bei uns ab?
Der KonsenT wird nach immer denselben Schritten moderiert. Diese Abfolge orientiert sich an der Kreis bzw. Konsent Moderation der Soziokratie. Die simulierte Entscheidungsfindung innerhalb unserer „Wohngemeinschaft“ laufen während unserer Workshops in diesen sieben Schritten ab:
1. Die Gruppe hat ein gemeinsames Ziel. Das sollte im Team bekannt sein. Wenn nicht, hat das Team ein sehr grundsätzliches Problem und sollte adressiert werden. In einer WG ist das Hauptziel ein positives Zusammenleben der Bewohner*innen. Ein Moderator aus der Gruppenmitte existiert.
2. Thema festsetzen. Wir machen hierzu ein Brainstorming per Dot-Voting, um zu sehen, was den Bewohnern am wichtigsten ist. Oft gibt es hier Themen wie „Sauberkeit / Putzen“ oder „Miete / Finanzen“.
3. Runde 1: Fragen klären, Infos bereitstellen – Zahlen, Daten, Fakten zum Thema. Reihum darf jeder sprechen, keine Diskussion, keine Vorschläge, reine Informationsbeschaffung. Der Initiator des Themas erklärt hier noch einmal die Details. Nach dieser Runde sollten sich die Teilnehmenden fähig fühlen, eine Meinung zu bilden.
4. Meinungsrunde 1: Jeder sagt der Reihe nach seine Meinung zu dem Thema, seine Ideen und Einwände. Die Moderation notiert öffentlich sichtbar mit. Es findet keine Diskussion statt.
5. Meinungsrunde 2: Meist existiert noch kein klarer Beschlussvorschlag, über den abgestimmt werden kann, daher gibt es eine zweite Meinungsrunde. Hier wird dann auf die Meinungen aus der vorherigen Runde reagiert.
6. Beschlussvorschlag: Die Moderation erstellt den Vorschlag aus den gesammelten Meinungen und Ideen und gibt diesen zur Abstimmung. Jeder wird gefragt, ob der Vorschlag für ihn okay ist, er Zweifel hat, aber ihn zumindest mitgeht oder einen schweren begründeten Einwand hat.
7. Gibt es keinen Einwand, sondern nur Bedenken, ist die Entscheidung gefallen. Das nächste Thema kann angegangen werden. Gibt es einen begründeten schwerwiegenden Einwand, so wird dieser integriert. Idealerweise kommt ein entsprechender Vorschlag vom Einwand Gebenden. Ein neuer Beschlussvorschlag entsteht und wird somit dann angenommen.

Das KonsenT-Verfahren: Geeignet für strategische und unternehmenskritische Themen
Das Feedback unserer Teilnehmenden ist immer sehr positiv. Gelobt an dem Verfahren wurde dieses Mal vor allem, dass sich alle abgeholt fühlten, der Ablauf sehr strukturiert war und die Entscheidung für alle tragbar war. Ziel der Workshops ist es, dass die Teilnehmenden das Verfahren mit in ihren Alltag nehmen und dort Anwendung findet. Hierbei unterstützen unsere Coaches bei Bedarf. Das KonsenT-Verfahren eignet sich unserer Erfahrung nach auch bzw. sogar besonders für unternehmenskritische und strategische Themen.
Wenn Sie das WG-Spiel und den KonsenT selbst ausprobieren wollen: Das Spiel von Christian Rüther und der KonsenT als Teil des Organisationsmodells Soziokratie finden Sie unter https://www.soziokratie.org/wg-spiel/
Gerne stehen wir von der INTENSE auch als Coaches bereit, um das Verfahren zu lehren und bei der Einführung zu unterstützen.

Dominik Panzer
Dominik verantwortet als Entwicklungsleiter die technische Produktentwicklung der INTENSE und unterstützt Teams als Technical Agile Coach in den Bereichen Prozesse, Testautomatisierung, Methodiken und Clean Code. Er ist Initiator der Clean Code Advocate Initiative.