Energieserviceanbieter (ESA) des Anschlussnutzers: Funktion und Mehrwert der neuen Marktrolle

Energiewende

Im Zuge der Mako 2022 hat die Bundesnetzagentur mit dem Beschluss vom 21.12.2020 nicht nur Prozesse angepasst und neu implementiert, sondern auch ganze Aufgabenbereiche an andere Markrollen übergeben. Wie schon bei der MaKo 2020 wurden zahlreiche bestehende Prozesse der GPKE, MPES, WiM Strom und der MaBiS überarbeitet sowie neu vorgegeben. Eine entscheidende Änderung innerhalb der Wechselprozesse im Messwesen Strom (WiM Strom 2022) ist dabei die Einführung einer neuen Marktrolle: der Energieserviceanbieter (ESA).

Aufgabenfeld des ESA

Diese neue Marktrolle bietet künftig vor allem für den Anschlussnutzer (AN) einen Mehrwert. Der Letztverbraucher kann nun der Rolle ESA das Mandat erteilen, über standardisierte Marktprozesse Messdaten beim MSB zu bestellen. Sinn und Zweck ist es, dass der ESA dem Anschlussnutzer professionelle Dienstleistungen bieten kann, um dessen Verbrauchsverhalten zu analysieren und dadurch zu optimieren. So kann der ESA in seiner Rolle als „Berater“ zu Energieeffizienzthemen für den Letztverbraucher auftreten. Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Dienstleistungen des ESA ist ein verbautes intelligentes Messsystem (iMS) mit dem Fokus auf den bereits im Rahmen der Markterklärung freigegebenen Tarifanwendungsfall (TAF) TAF 7 – Übermittlung von Zählerstandsgängen.

Die Bestellung der Messwerte inklusive des Übertragungsweges, der Werteart, Wertequalität und Frequenz, ebenso wie weitere messwertbezogene Daten, werden durch die Messprodukte Strom aus der aktuellen Codeliste festgelegt. Hierbei sticht vor allem ein Fakt heraus: Aktuell werden nach der Entscheidung von EDI und BNetzA nur Messprodukte für die Beauftragung des ESA von viertelstündlichen Messwerten mit TAF 7 unterstützt, soweit der TAF 14 nicht zur Verfügung steht. Mit dessen Nutzung wird in Zukunft die Möglichkeit geboten, den Energieverbrauch im 60-Sekunden-Takt zu erheben, um Messwerte in deutlich feinerer Frequenz zu liefern.

Als Zielgruppe für die Dienstleistungen des ESA stehen vor allem Unternehmen im Fokus, die einen hohen Energieverbrauch verzeichnen und deren Bestreben es ist, ihr Energieverhalten kontinuierlich zu optimieren. Durch die Analyse und Visualisierung von Messdaten ist es dem ESA als externer Marktteilnehmer möglich, derartigen Unternehmen bei der Optimierung des eigenen Energieverbrauchs Unterstützung anzubieten.

Messwertübertragung an den ESA

Bereits beschrieben sind die Übertragungswege der unterschiedlichen Messwertsender gegenüber dem ESA als Empfänger. Dieser kann die erhobenen Werte täglich als Rohdaten über drei Wege empfangen:

Messwertübertragung durch Messstellenbetreiber

Der ESA kann die Messwerte durch den MSB erhalten, indem ihm dieser die Rohdaten direkt und unplausibilisiert unverzüglich, spätestens bis 9:30 Uhr zum Zeitpunkt der Erhebung aus dem Backend (z.B. IS-U oder EDM System) per EDIFACT sendet. Es ist zu beachten, dass die aktuellen Backendsysteme in der Regel nur die plausibilisierten und ersatzwertgebildeten Lastgänge enthalten. Sollen Rohdaten in Verwendung sein, sind also weitere Lastprofile zu speichern.
Übertragung der Messwerte durch den Messstellenbetreiber (MSB)

Messwertübertragung durch Messdatenmanagementsystem

Der ESA kann die Messwerte direkt aus dem MDM beziehen, indem ihm dieses die Rohdaten unplausibilisiert unverzüglich, spätestens bis 9:30 Uhr zum Zeitpunkt der Erhebung per EDIFACT sendet. Hierbei ist zu beachten, dass die aktuellen MDM Systeme in der Regel nur die plausibilisierten und ersatzwertgebildeten Lastgänge versenden. Sollen Rohdaten in Verwendung sein, sind entsprechende Funktionen zu etablieren.

Übertragung der Messwerte durch ein Messdatenmanagementsystem (MDM)

Messwertübertragung durch Smart-Meter-Gateway

Der ESA kann die Messwerte direkt aus dem SMGW beziehen, indem ihm dieses die Rohdaten unplausibilisiert unverzüglich, spätestens bis 9:30 Uhr zum Zeitpunkt der Erhebung per EDIFACT sendet. Um Werte aus dem iMS empfangen zu können, muss der ESA die entsprechenden BSI-Vorgaben einhalten, insbesondere die Teilnahme an der Smart-Metering-PKI (u. a. über ein Kommunikationszertifikat einer Sub-CA) und der Betrieb eines Head-End-Systems. Weitere Informationen hierzu in der Anwendungshilfe Einführungsszenario zur Weiterentwicklung der Netzzugangsbedingungen Strom.

Übertragung der Messwerte aus dem Smart-Meter-Gateway (SMGW)

Zusätzlich zu den oben beschriebenen Anwendungsfällen, welche ausschließlich Anwendung für die Rolle des ESA finden (siehe Kapitel 4 - Codeliste der Messprodukte), werden diesem auch Standard-Messprodukte der Sparte Strom auf Messlokations- und Marktlokations-Ebene mit Zuordnung einer Zählzeit zur Verfügung gestellt. Die Granularität solcher Werte beschränkt sich hier ebenfalls auf viertelstündliche Lastgangwerte. Hier kommen die Messprodukte des Kapitel 2 Codelisten der Standard-Messprodukte Strom zur Anwendung. Bei diesen Messprodukten kann davon ausgegangen werden, dass der MSB die TAF 7 Messwerte zur Bilanzierung einem weiteren Verwendungszweck „ESA“ zuführen möchte, um system- und prozessseitige Synergien zu heben.

Unsere Einschätzung ist, dass zunächst eher die Messprodukte aus Kapitel 2 zur Anwendung kommen werden, da der MSB selbst entscheiden kann, welche Messproduktcode-Beauftragung er annehmen möchte. Wirklich neu wäre in diesem Bereich, dass nun auch Blindarbeits-Lastgänge angefordert werden könnten.

Auswirkungen auf die Marktkommunikation

Prozesstechnisch wurden mit der Einführung der neuen Marktrolle auch vier neue Prozesse durch die WiM 2022 veröffentlicht (siehe Abbildung). In diesen wird die initiale Anfrage von Messwerten und deren Granularität, durch den ESA, mit dem MSB vereinbart. Weiterhin wird auch auf die Übermittlung der Messwerte durch den MSB eingegangen, sowie die Beendigung der Übermittlung durch eine der beiden Parteien.

Prozesse des ESA (Auszug aus Wechselprozesse im Messwesen Strom 2022)

Neben dem Ausbau der bestehenden Prozess- und IT-Landschaft des MSB, um die neuen Prozesse abzubilden, ergeben sich weitere Auswirkungen bei der Einführung des ESA: die Messwerte können dem ESA per MSCONS mitgeteilt werden (bei Bestellung und Annahme von Messprodukten aus Kapitel 2 der Codes für Messprodukte), jedoch ist auch eine non-EDIFACT Kommunikation möglich. Zukunftsbasiert wird auch die sternförmige Kommunikation greifen, in der das SMGW die entsprechenden Werte per WebService/XML direkt an den ESA übermittelt (vgl. für beides Kapitel 4 der Codes für Messprodukte). Hier besteht auch für den MSB die Möglichkeit, die Marktrolle des ESA selbst wahrzunehmen, um so eine weitere Einnahmequelle zu erschließen. Eigene Produktportfolios müssen hier ergänzt werden.

Um die Übermittlung und nachfolgend die Analyse solcher Werte zu ermöglichen, ist die Parametrierung eines SMGW mit einem TAF 7 notwendig. Die Werteübermittlung hat dabei keinen direkten Bezug zur Netznutzungs-, Bilanzkreis- oder Mehr-/Mindermengenabrechnung. Abrechnungstechnisch fallen alle Use-Cases des ESA unter Mehrwertdienste (z.B. Visualisierung) und nicht unter die POG des gMSB. Dabei ist dennoch zu beachten, dass eine Abrechnung bzw. Faktura des ESA unter eine non-EDIFACT Kommunikation fällt. Damit fallen weitere Aufwände bei der Implementierung eines zusätzlichen Abrechnungsprozesses und einer Offene Posten Verwaltung innerhalb der Standard IS-U Lösung an oder es müssen gänzlich neue Methoden und Tools für die Abrechnung bereitgestellt werden. Hier stellt das SAP Convergent Invoicing eine Möglichkeit dar, wie eine Abrechnung gegenüber dem ESA erfolgen kann. Die Rechnungsstellung muss letztlich jedoch über non-EDIFACT Formate und Prozesse erfolgen.

Fazit

Die Einführung des ESA wirft an einigen Stellen prozessuale Lücken auf, die wiederum Problemstellungen für Umsetzungsprojekte hervorrufen. Diese gilt es zu lösen.

Sobald die Rezertifizierung der SMGW für die Bereitstellung der TAF 9, -10 und -14 durchlaufen wurde, wird der ESA zusätzliche Messleistungen beauftragen können. Diese werden in Zukunft ebenfalls in der Codeliste für Messprodukte bereitgestellt werden. Die Parametrierung dieser Messleistungen liegt dann in der Verantwortung des MSB, womit zusätzliche Aufwände in der Erweiterung dessen bestehenden iMS-Datenmodell anfallen.

Ebenso wird die Einführung der Messprodukte für den ESA, die organisatorische Schnittstelle zum MSB, zu Anpassungen in ihrem Prozessablauf zwingen. Grundlegend ist in Erfahrung zu bringen, wie die Kommunikation zwischen Kunde, ESA und MSB optimal gestaltet werden kann. Von der Beauftragung des ESA bzw. MSB über die Beauftragung des TAF 7 (zukünftig TAF 14) durch den MSB – Ziel ist, dass ein reibungsloser Prozess herrscht.